ERR HOFFMANN, SIE SIND EIN KREATIVER KOPF UND HABEN MIT DEM AUFBAU DER 25HOURS HOTELS EINE GANZ NEUE HOTELWELT GESCHAFFEN. WOHER WUSSTEN SIE, DASS DER MARKT FÜR EIN DERARTIGES KONZEPT REIF IST?
Das wusste ich vielleicht gar nicht. Wir sind damals gar nicht mit einer strategischen Ausrichtung angetreten. Wir sind drei Partner und haben das Unternehmen gegründet. Eigentlich haben wir nur getan, was uns gefällt. Wenn man sich mal zurückversetzt ins Jahr 2005, dann war der deutsche Hotel-Markt noch nicht so diversifiziert, wie es seinerzeit vielleicht schon in den USA der Fall war. Wir haben uns bewusst weder im Luxus- noch im Low-Budget-Segment angesiedelt, sondern einen fließenden Zwischenbereich geschaffen. Dabei wollten wir die gute, alte Grand Hotellerie in eine eigene Welt übersetzen. Wir haben mit einem Hotel in Frankfurt an der Hanauer Landstraße angefangen. Es war uns von vorneherein klar, dass dort es kein Luxussegment gibt. Insofern war uns klar, dass das kein Bereich ist, der von Erfolg gekrönt sein muss. Wir wollten eine Marke schaffen. Eine Hotelkette oder Hotelgruppe. Dabei war es uns eigentlich egal, ob wir drei oder 30 Hotels haben. Hauptsache, das Ziel war es, eine Marke mit einem starken Profil zu schaffen, mit einem starken Charakter.
GEHÖRT ZU JEDER ERFOLGREICHEN UNTERNEHMENSGRÜNDUNG EINE PORTION MUT IN DER UNGEWISSHEIT?
Ja, absolut. Ich habe damals allerdings in einer Situation begonnen, in der ich ohnehin im Umbruch war. Insofern habe ich für meine neuen Pläne nichts aufgegeben und bin dadurch ein verhältnismäßig geringes Risiko eingegangen. Ich wollte mich damals selbstständig machen. Ich hatte meine bis dahin ordentliche Karriere pausieren lassen und war auf der Suche nach einer neuen Richtung. Ich erinnere mich nicht daran, Angst gehabt zu haben. Ich habe eher extrem viel Energie und Neugierde verspürt und war wahnsinnig motiviert dadurch, dass meine Partner mir vertrauten und Freiheit gegeben haben.
WAS WAR IHR ERSTER GEDANKE, ALS ES IM MÄRZ HIESS, DIE HOTELS MÜSSTEN FÜR TOURISTEN AUF UNGEWISSE ZEIT SCHLIESSEN?
Ganz so war es ja gar nicht. Wir haben unsere Hotels nicht geschlossen. In Köln gab es nur für eine kurze Zeit ein Beherbergungsverbot. Das wurde aber ganz schnell wieder rückgängig gemacht. Und so haben wir in allen unseren Hotels die Lage konsolidiert und in Städten, in denen wir mehrere Hotels haben – Frankfurt, Zürich und Hamburg – stets ein Hotel offengelassen. Aber natürlich saß der Schock tief. Bei mir kam das eher schleichend. Ich habe diese Pandemie nicht wirklich ernstgenommen als man zum ersten Mal davon sprach. Auch mangels Erfahrung. Ich glaube, wenn ich lange in Asien gelebt hätte, wäre ich von Anfang an respektvoller mit dem Thema umgegangen. Doch als es ernst wurde, haben wir schnell reagiert und ganz verschiedene Dinge getan: Wir haben uns darum gekümmert, wie wir das Kurzarbeitergeld möglichst sinnvoll nutzen konnten, ohne dabei den Mitarbeitern allzu sehr wehzutun. Das andere große Thema waren die Vermietungen, wir haben ja fast nur Pachtverträge und das war eigentlich unser größtes Damoklesschwert nebst der Personalkosten. Das ist auch nach wie vor so. Da haben wir proaktiv gehandelt und haben allen Vermietern einen – so glauben wir nach wie vor – partnerschaftlichen Vorschlag unterbreitet, der dann vielfältigst behandelt wurde. Das waren zwei von mehreren großen Schwerpunkten, denen wir uns widmeten.
WOMIT HABEN SIE DERZEIT AM MEISTEN ZU KÄMPFEN? DA IST NATÜRLICH DER FINANZIELLE ASPEKT, KEINE FRAGE, ABER WAS BEWEGT SIE DARÜBER HINAUS?
Es ist wichtig, uns selbst weiterhin Mut zuzusprechen. Damit meine ich vor allem auch meine Kollegen, die in Hotels sind und jetzt auf ganz unsichere Zeiten zugehen. Viele waren in Kurzarbeit. Jetzt müssen wir wieder einige in Kurzarbeit schicken. Jetzt geht es wieder rasant bergab und wir mussten zurückrudern, fast wieder in den Modus, in dem wir während des Lockdowns waren. Das frustriert natürlich enorm. Es ist eine Riesen-Unsicherheit unter den Mitarbeitern, weil sie nicht wissen, wie es weitergeht und wir wissen es ja in Wirklichkeit auch nicht. Wir sind natürlich nach wie vor zuversichtlich. Dennoch haben wir wenig Hilfe bekommen. Seien es Versicherungen oder von Staatswegen. Eine Größe war natürlich die Kurzarbeit, aber losgelöst davon gab es für die Größe unserer Hotels nicht viel, auf das wir uns stützen konnten. Manchmal ärgert man sich ein bisschen, wenn man sieht, wie die Automobilindustrie bei einem Umsatzeinbruch von 20 Prozent sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt bekommt, während wir das Gefühl haben, politisch nicht wahrgenommen zu werden.
DA FÄLLT ES SICHER MANCHMAL SCHWER OPTIMISTISCH ZU BLEIBEN. WIE SCHAFFEN SIE ES DENN, IHRE MITARBEITER ZU MOTIVIEREN?
Wir versuchen möglichst transparent zu sein. Es ist ganz wichtig, dass man jeden Mitarbeiter offen informiert, wo der Betrieb steht. Es gibt Video-Talks, in denen wir als Geschäftsführer mitteilen, was gerade los ist und wie wir gerade arbeiten, sowie auch die finanzielle Situation darzustellen, soweit es möglich ist, und bei aller Sorge Zuversicht auszustrahlen. Wir arbeiten auch an zukunftsorientierten Konzepten. So sind wir unter anderem stark in eine Hoteleröffnung in Florenz involviert, die nächstes Jahr im April oder Mai stattfinden soll. Es hilft mir natürlich auch mental, mehr in die Zukunft zu schauen. Wir haben zwei schöne Hotelprojekte in Kopenhagen und zwei Hotels in Australien, die wir im Augenblick mit Team-Calls voranbringen. Auch in Dubai haben wir ein riesiges Hotelprojekt. Damit kann ich nach vorne blicken und dadurch auch ein wenig Zuversicht an meine Mitarbeiter weitergeben, zumindest hoffe ich das. Ich glaube, dass in absehbarer Zukunft Stadthotellerie etwas anders stattfinden wird. Es wird für eine ganze Weile wesentlich weniger Messen und Geschäftsreisende geben. Und, wenn ich dann in eine Stadt, wie nach München gehe oder nach Hamburg, nach Wien oder Paris, glaube ich, dass eher Hotels gefragt sind, die echte Mehrwerte für die Besucher bieten. Erlebnis, Inspiration, vielleicht auch eine Gastronomie, die über ein schnödes Hotelrestaurant hinausgeht. Ein Ort, an dem man sich gerne aufhält und gleichzeitig auch die Stadt spürt, in der man sich aufhält.
WIE WIRD SICH IHRER ANSICHT NACH DIE STRUKTUR DES GASTGEWERBES VERÄNDERN?
Ein unmittelbarer Trend ist, dass Städte derzeit weniger gefragt sind. Stattdessen wünschen sich Urlauber Aufenthalte in Ferienregionen, in denen sie Freiheit und Natur erleben. Zum Zweiten werden Reisen bewusster wahrgenommen: Es finden weniger Tagesreisen statt. Ich glaube, dass zudem auch vieles lokaler wird. Das bedeutet aus meiner Sicht, dass sich Hotels künftig noch viel stärker lokal ausrichten müssen, als sie das in der Vergangenheit getan haben.
SETZEN SIE DENN DIE BESTEHENDEN HYGIENEKONZEPTE KREATIV UM, VIELLEICHT MIT SPEZIELLEN VISUELLEN ANREIZEN
Also insgesamt legen wir immer große Wert auf ein außergewöhnliches Branding. Zum Beispiel schon das „Don ́t disturb“-Schild. Wir haben einen sehr konsequenten Umgang mit einem durchdachten Branding. Es gibt keine improvisierten Zettel, die irgendwo hingeklebt werden. Wenn wir etwas machen, dann machen wir es richtig und entsprechend unserer CI. Uns ist wichtig, dass sich der Gast zum einen sicher fühlt und sich die Maßnahmen gleichzeitig auch stimmig in das Design-Konzept einfügen.
HAT DIE KRISE IHRE VISION VON DEN 25HOURS HOTELS IRGENDWIE VERÄNDERT?
Nicht verändert, aber zumindest geschärft, das ist auch ein Thema, das wir aus der Krise mitnehmen. Wir glauben, dass wir mit dem, was wir bislang an Inhalten und Konzepten in den Hotels geschaffen haben, noch stärker umgehen müssen. Ich habe vorher das Thema lokale Reisen erwähnt. Ich bin der Meinung, dass wir die Hotelprojekte, die wir in Zukunft machen, noch mehr auf den lokalen Markt ausrichten und in Kollaboration mit anderen eine große Vielfalt schaffen sollten. In Florenz zum Beispiel arbeiten wir mit der ältesten Bäckerei zusam-men. Wir haben auch den tollsten Buchhändler um die Ecke gefunden, mit dem wir Konzepte entwickeln. Wir haben eine Winzerin aus der Toskana, die uns begleitet, wir werden mit dem gegenüberliegenden Museum zusammenarbeiten. Ich finde enorm wichtig, dass man das lokale Element mit einbaut und damit mehr Vielfalt schafft und damit das Hotel zu einem Ort macht, der einlädt, um dort zu verweilen. Damit laden wir unsere Gäste ein, dort zu sein und nicht nur dort zu übernachten – einen sicheren Hafen zu schaffen. Und das in einem urbanen Umfeld.
Das Interview führte Vanessa Brand
(Das Interview wurde vor dem zweiten Lockdown geführt)