err Ministerpräsident Söder, Sie mussten in der Pandemie sehr schwere Entscheidungen treffen, auch hinsichtlich von Betriebsschließungen. Wo stehen wir heute und was können Sie den Gastgebern Bayerns zusichern?
Bayern steht fest an der Seite des Gastgewerbes. Leider waren in den ersten Wellen der Pandemie zum Schutz der Menschen harte Einschränkungen notwendig, um die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern und Leben zu retten. Für das Verständnis und Vertrauen in dieser schweren Zeit bedanke ich mich sehr. Umgekehrt war aber immer klar: Wir lassen in der Krise niemanden allein. Kein anderes Land hat betroffenen Branchen so schnell und umfangreich geholfen wie Deutschland – zum Beispiel mit den Überbrückungshilfen und der Senkung der Mehrwertsteuer. Die Mehrwertsteuer in der Gastronomie bleibt dank unserer bayerischen Initiative noch bis Ende 2022 auf 7 Prozent gesenkt – und wir kämpfen dafür, dass es dauerhaft so bleibt. Bundesweit hat diese Hilfe ein Volumen von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr. Dieses Geld kommt direkt der Gastronomie und ihren Gästen zugute. Und es ist ein wichtiges Signal, um neu durchzustarten und wieder Kraft zu tanken. Wir können jetzt mit Zuversicht in die Zukunft schauen. Allen voran unser Gastgewerbe, das weltweit für seine Qualität berühmt ist.
Wir wissen, dass Corona immer wieder neue Überraschungen geboten hat. Aber wie sieht es derzeit aus, können Sie eine Prognose wagen? Wann können wir wieder mit weitestgehender Normalität rechnen? Wann können wir wieder feiern, tanzen, Volksfeste erleben, all das, was Bayern ausmacht?
Bayern ist das Team Vorsicht, aber auch das Team Hoffnung und Freiheit. Während andere Bundesländer 2G plus angewendet haben, haben wir bei unserer Gastronomie bereits auf 2G gesetzt. Insgesamt ist Omikron zum Glück weniger gefährlich. Unser objektiver Maßstab war immer die Gefährlichkeit von Corona und die Belastung der Krankenhäuser. Dank Tests, Impfungen und Masken wird deshalb Stück für Stück wieder mehr möglich. Wir können nun stufenweise in Richtung Normalität gehen, ohne unvorsichtig zu sein. Und ich bin zuversichtlich, dass wir in diesem Jahr auch wieder Volksfeste in Bayern erleben und genießen werden. Neben den Wirtinnen und Wirten haben auch deren Beschäftigte gelitten.
Welchen Tipp würden Sie ihnen mit auf den Weg geben?
Bayern und seine Wirtshäuser und Biergärten gehören einfach zusammen. Die Hotellerie und Gastronomie machen einen wesentlichen Teil unseres Lebensgefühls aus – und die Sehnsucht danach ist groß. Wir alle haben eine harte Zeit hinter uns, viele Menschen wünschen sich wieder mehr Geselligkeit. Deshalb werden die Wirtschaften in Bayern hoffentlich bald wieder voll und gut besucht sein. Unsere Gastronomie bietet ein sehr hohes Niveau, großartige Ausbildungsberufe und vielfältige Verdienstmöglichkeiten. Wenn alle so engagiert und fröhlich bleiben wie vor der Pandemie, steht uns ein guter Sommer bevor.
Vielen hat das Gastgewerbe während der Pandemie mit am meisten gefehlt. Welchen Stellenwert hat die Branche für Sie?
Das Gastgewerbe ist die Visitenkarte unseres Landes. Menschen aus der ganzen Welt kommen zum Urlaub nach Bayern, um unsere wunderbare Heimat und Natur zu erleben, aber auch unsere Gastfreundschaft und unser hervorragendes Essen. Unsere Hoteliers und Gastronomen vermitteln wie nur wenige Institutionen das bayerische Lebensgefühl. Der Stellenwert ist für unser Land also gar nicht hoch genug einzuschätzen. Und ganz persönlich: Auch ich freue mich wieder auf regelmäßige Besuche in unseren Gastwirtschaften. Der Verzicht auf Gastlichkeit fällt mir genauso schwer wie allen anderen.
Durch die Pandemie ist die Branche unverschuldet in höchste Existenznot geraten. „Die Politik“, insbesondere durch Ihren Druck, hat viel unternommen, Betriebe zu retten. Planen Sie darüberhinausgehend weitere Maßnahmen?
Mit Beginn der Corona-Pandemie haben Bayern und der Bund Wirtschaftshilfen auf den Weg gebracht, die es in diesem Umfang nirgendwo sonst auf der Welt gibt. Unser Ziel: Unsere Wirtschaft und Arbeitsplätze bestmöglich zu schützen. Allein die bayerische Hotellerie und Gastronomie haben bis jetzt fast 3,7 Milliarden Euro an Corona-Hilfen bezogen. Bei den Novemberhilfen wurden 75 Prozent des Vorjahresumsatzes ausbezahlt. Die Überbrückungshilfe IV des Bundes kann seit Anfang Januar beantragt werden und umfasst den Förderzeitraum bis März 2022. Und der Bund hat die nochmalige Verlängerung bis Juni 2022 bereits zugesagt. Dazu bleibt die Mehrwertsteuer in der Gastronomie noch das ganze Jahr auf 7 Prozent gesenkt. Dieser niedrigere Satz muss vom Bund aber dauerhaft etabliert werden. Wir werden uns auch weiter aus voller Überzeugung für unsere Betriebe einsetzen. Jetzt hoffen wir, dass Schritt für Schritt wieder mehr möglich wird.
Sie haben die reduzierte Umsatzsteuer auf Speisen durchgesetzt, die wohl langfristig nachhaltigste Maßnahme zur Rettung des Gastgewerbes. Wie kann es aber nun, wo sie nicht mehr Teil der Bundesregierung sind, gelingen, die Reduzierung zu entfristen und die Getränke mit einzubeziehen?
Die dauerhafte Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes bleibt unser festes Anliegen. Wir werden uns dafür auch weiterhin in Berlin einsetzen. Wir vertrauen darauf, dass sich die Kraft guter Argumente zugunsten unserer Gastgeber auch bei geänderten Mehrheitsverhältnissen im Bund durchsetzt. Klar ist aber auch: Die Entscheidung liegt bei der Bundesregierung – damit steht sie in der Verantwortung. Ich hoffe, dass die Ampel dem Gastgewerbe eine ebenso hohe Wertschätzung entgegenbringt wie die Bayerische Staatsregierung.
Über die Jahre hinweg nehmen kontinuierlich bürokratische Belastungen und Auflagen zu. Sehen Sie eine realistische Chance, zumindest kleine und mittelständische Unternehmen zu entlasten?
Der Mittelstand ist das Herz unserer Wirtschaft. Im internationalen Wettbewerb bleiben wir aber nur konkurrenzfähig, wenn wir bürokratische Fesseln lösen. Sonst schnüren wir uns selbst ein. Gerade jetzt, bei der Bewältigung der Corona-Folgen, müssen wir unsinnige Zusatzbelastungen abschaffen und Regeln entschlacken. Deshalb will Bayern Vorreiter beim Bürokratieabbau sein. Mit der Paragraphenbremse und unserem Bürokratiebeauftragten Walter Nussel spüren wir überflüssige Regelungen laufend auf und überprüfen sie in einem Praxis-Check. Wir können aber in vielen Bereichen auch noch besser werden.
Was würden Sie sich von der Branche wünschen? Wo sehen Sie hier Nachholbedarf?
Gerade für Ihre Branche ist wichtig, dass die Pandemie so schnell wie möglich abklingt. Und dann ist gemeinsame Zuversicht nach dieser harten Zeit am wichtigsten. Corona nervt alle. Es sind leider viele Menschen gestorben und Existenzen wurden gefährdet. Aber jetzt gibt es Licht am Ende des Tunnels. Nutzen wir diese Hoffnung und halten wir weiter gut zusammen. Gemeinsam kommen wir da durch. Und wenn dann wieder Gäste aus nah und fern in den Gasthäusern zusammenkommen, dann ist das ein neues Zeichen von Lebensfreude
Die Fragen stellten Dr. Thomas Geppert und Frank-Ulrich John
ZUR PERSON: Dr. Markus Söder wurde im März 2018 als Bayerischer Ministerpräsident vereidigt und in dieser Funktion vom Bayerischen Landtag für eine turnusgemäß fünfjährige Amtszeit gewählt. Er beruft die Mitglieder der Staatsregierung mit Zustimmung des Landtags, leitet die Staatsregierung und vertritt Bayern nach außen. Seit Januar 2019 ist Söder zudem Parteivorsitzender der Christlich-Sozialen Union (CSU) in Bayern.