eim Betrieb des Cafés steht die stabile Schaffung sozialversicherungspflichtiger Arbeitsverhältnisse im Fokus. Die Erzielung wirtschaftlicher Gewinne wird diesem Hauptziel untergeordnet. Teil dieses Konzepts ist eine gleichberechtigte Bezahlung aller Mitarbeiter – ob mit oder ohne Behinderung – in Anlehnung an den Tarifvertrag.
Für eine Beschäftigung im Café gibt es keinerlei Voraussetzungen hinsichtlich vorhandener Schulabschlüsse oder Ausbildungen. „Wir legen bei unserem Konzept Wert auf das Prinzip ‚Training on the job‘ und erkennen die Fortschritte bei jedem einzelnen individuell an“, erklärt Stephan Mitesser, Geschäftsführer der Gastronomie und Toleranz. „Ein Ziel, das wir uns gesteckt haben ist, in naher Zukunft Teilqualifikationen anzubieten. Die ‚Fachkraft im Gastgewerbe‘ oder der ‚Fachpraktiker Küche‘ sind Bildungskonzepte, die für unsere Angestellten mit Behinderung derzeit am erreichbarsten erscheinen. Eine Ausbildung im klassischen Sinne der Berufsbilder wäre für die meisten unserer Beschäftigten ein schwer realisierbares Ziel."
GEMEINSAMES LERNEN FÜR MITARBEITER UND GÄSTE
Das Café ist als Einsatz- und Lernort für Menschen aller Couleur konzipiert. Und hierfür bietet die Gastronomie mit ihren vielen Tätigkeitsfeldern eine ideale Basis. Denn insbesondere Menschen, die ihre Jugend in einer Förderschule oder einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung verbracht haben, suchen häufig nach einer spannenden, herausfordernden und gleichsam anerkannten und fair bezahlten Beschäftigung. Und gleichzeitig werden auch die Gäste für ein Zusammenleben mit gehandicapten Mitmenschen sensibilisiert. „Natürlich besteht der Anspruch, ein guter Gastronom zu sein und mit seinem Angebot anzusprechen“, betont Geschäftsführer Mitesser. „Dennoch wollen wir auch eine Art ‚Stolperstein‘ sein, wie ein Fundstück am Strand. Wenn beispielsweise einmal etwas länger dauert oder Kunde und Personal eine andere Art der Kommunikation wählen müssen, als man es gewohnt ist, dann erinnert unser Konzept täglich in kleinen Dosen und an verschiedenen Stellen daran, dass die Welt bunt ist und trotzdem oder gerade deswegen gut funktionieren kann. Diese Farbvielfalt, die sonst oft hinter Türen oder am Rande der Gesellschaft verborgen bleibt, mitten in die Stadtgesellschaft zu bringen, das ist unser Ziel.“
FÖRDERUNG FÜR ARBEITGEBER MIT INKLUSIONS-KONZEPTEN
Arbeitgeber, die Menschen mit einer Behinderung beschäftigen, haben Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich von Mehraufwendungen, die durch die Begleitung des Einzelnen entstehen. Diese Mittel stammen aus der sogenannten Ausgleichsabgabe, die Unternehmen zahlen müssen, wenn sie keine oder zu wenige Menschen mit Schwerbehinderung einstellen. Die Gelder werden vom Inklusionsamt vermittelt. Durch diese finanzielle Unterstützung wird im Café StrandGuT beispielsweise die Stelle eines sozialpädagogischen Fachdiensts finanziert. Die Mitarbeiterin fungiert als Ansprechpartnerin für individuelle Fragestellungen. „Häufig wissen Arbeitgeber gar nicht, dass man als Unternehmen finanzielle und beratende Unterstützung bekommt, wenn man jemanden einstellen möchte, der eine Einschränkung hat“, erklärt Mitesser. „Hier helfen die Job-Center und die Vermittlungsdienste der jeweiligen Stadt oder Region.“
INKLUSION IN DER DEUTSCHEN GASTRONOMIE
Tatsächlich sind verhältnismäßig viele der deutschen Inklusionsbetriebe in der Gastronomie angesiedelt. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Inklusionsunternehmen verzeichnete im Jahr 2018 fast 22 Prozent von insgesamt 919 Inklusionsunternehmen im Branchenbereich Hotel- und Gaststättengewerbe. In Bayern gab es im Jahr 2018 pro 1 Million Einwohner circa 294 Arbeitsplätze in Inklusionsunternehmen (aller Branchen). „Das sind natürlich immer noch zu wenige“, betont der Geschäftsführer der Gastronomie und Toleranz. „Aus unserer Sicht müssen alle Unternehmen zukünftig mehr Menschen mit Behinderung einstellen. Wenn es uns gelingt, mit unserem Dasein eine Motivation für unsere Branchenkollegen in der Hotel- und Gaststättenbranche zu sein und dadurch Anstellungen erfolgen, dann haben wir einen guten Job gemacht.“
CORONA-KRISE ZWISCHEN ANGST UND HOFFNUNG
Der Start des Cafés war ein echter Erfolg: Nach der Eröffnung im Januar dieses Jahres war der Andrang der Gäste – insbesondere an den Wochenenden – groß. Dazu trug sicherlich auch der exponierte Standort in der Nähe des Sees bei. Schnell wurden sogar Kundenwünsche nach mehr Fläche für die Bewirtung laut. Doch dann folgte die Corona-Krise und bremste die Mitarbeiter sowie die Gäste gleichermaßen aus. „Für die Anfangsmonate unseres noch jungen Projekts hätten wir uns nichts Schlimmeres vorstellen können“, resümiert Mitesser. Doch die Hoffnung auf eine Trendwende in den kommenden Monaten ist groß. Neben der unternehmerischen Angst, im schlimmsten Falle wirtschaftlich nicht überleben zu können, überwiegt der Glaube daran, an die ersten guten Wochen nach der Eröffnung anknüpfen zu können. Und auch weitere Projekte stehen in den Startlöchern: Aktuell wird gerade ein Arbeitsplatz für einen Konditoren eingerichtet. Künftig soll selbst gebacken werden – auch damit wird ein weiterer Arbeitsplatz geschaffen. Trotz Corona. Die Hoffnung auf eine erfolgreiche Zukunft des Cafés ist mehr als berechtigt.