W
enn es um Leidenschaft im Beruf geht ist es im Grunde unerheblich, in welcher Branche man tätig ist. Das „Lodern und Brennen“ für das eigene Tun ist in erster Linie dort zuhause, wo der Broterwerb auf etwas Sinnstiftendes – etwas Selbst-Verwirklichendes – trifft. Dabei ist das Gastgewerbe sicher ein Paradebeispiel für viele Biographien, welche die Leidenschaft zum Beruf gemacht haben. DEHOGA Bayern-Präsidentin Angela Inselkammer hat sich mit dem ehemaligen Fußballprofi und heutigen Unternehmer und Funktionär Uli Hoeneß über die Parallelen zwischen Gastgewerbe und Fußball unterhalten. Ihr einhelliges Fazit: Eine wesentliche Gemeinsamkeit beider Branchen ist das nötige Herzblut und die Leidenschaft für das, was man tut.
Uli Hoeneß: Das ist aus meiner Sicht absolut der Fall. Wobei ich den Eindruck habe, dass Leidenschaftlichkeit in manchen Bereichen regelrecht verpönt ist. Das wird oft mit einer unterstellten Zerfressenheit und der Gier nach Erfolg assoziiert. Für mich steht fest: Wenn man sich kein Ziel setzt, zu dem man gelangen will, wird man es auch nie erreichen.
Uli Hoeneß: …absolut. Nehmen wir zum Beispiel die Quotenregel: Es ist doch völlig egal, ob einer schwarz oder weiß, alt oder jung, Frau oder Mann ist – er muss gut sein. Für mich gibt es nur gut oder schlecht – und das zählt. Und das muss auch die Grundlage für die Bezahlung sein. Es kann doch nicht sein, dass einer aufgrund äußerer Rahmenbedingungen genauso viel verdienen muss wie der andere, obwohl er weniger leistet. Wenn jemand gute Arbeit leistet, sollte er so viel bekommen, wie einer, der ähnlich viel leistet. Wenn er weniger gut ist, muss er auch weniger kriegen.
Uli Hoeneß: Absolut – und beide Bereiche haben den Vorteil, dass sie ihre Leidenschaft zum Beruf machen können. Das ist schon etwas Besonderes.
Uli Hoeneß: Der persönliche Kontakt ist aus meiner Sicht ein ganz wesentliches Kriterium für den Erfolg. Ich habe auch große Befürchtungen, was die Veränderungen der Arbeitswelt im Zuge der Corona-Pandemie angeht: Man braucht doch den persönlichen Kontakt, um voranzukommen…
Uli Hoeneß: Sicherlich, auch das gehört dazu. Nur durch Widerspruch kommt man weiter. Ich habe viele Freunde, die zu mir sagen: „Mensch, Uli, was hast Du da wieder gemacht oder gesagt“ – das ist nicht angenehm. Aber das sind die Leute, die Dich voranbringen, nicht die, die einem nach dem Mund reden. Wenn man sich nicht oder kaum sieht, dann reibt man sich auch nicht, dann geht aber auch nichts voran. Der zwischenmenschliche Kontakt geht heute ein Stückweit verloren – in der Arbeitswelt, wie im Berufsleben: Jeder sitzt nur noch vor seinem Bildschirm – teilweise kommunizieren Familienmitglieder mit dem Handy, obwohl sie am gleichen Tisch sitzen… (lacht)
Uli Hoeneß: Absolut – manch eine Agentur stellt heute Leute ein, die sie nie persönlich gesehen haben. Wenn ich jemanden einstelle, möchte ich ihn vorher sehen. Jeder kann sich im besten Licht zeigen, wenn die Kommunikationswege begrenzt sind. Aber im persönlichen Gespräch bekommt man schnell einen Einblick, was einem da für einer gegenübersitzt. Sicher kann man sich auch da täuschen. Aber ich meine, die „Trefferquote“ ist im persönlichen Austausch ungleich größer.
Uli Hoeneß: …und wie! Ich war gestern wieder im Stadion – wir waren zwar letzten Endes nicht erfolgreich, aber diese Stimmung – wenn 75.000 Leute im Stadion sind – das ist Leidenschaft. Und das spüren natürlich auch die Spieler. Das motiviert einen, das treibt einen an, um noch mehr Leistung zu bringen. Wenn Du das nicht spürst, dann musst Du Dir einen anderen Beruf suchen. Und es gibt noch eine weitere Parallele: Unsere Zuschauer zahlen Geld dafür, um unterhalten zu werden und Leistung zu sehen. Ähnlich ist es auch im Gastgewerbe. Und dessen müssen sich die Spieler, wie die Mitarbeiter bewusst sein.
Uli Hoeneß: So ist es. Ich habe mir aufgrund der ganzen Entwicklungen der Corona-Pandemie ehrlich gesagt schon ein wenig Sorgen gemacht, ob der Fußball noch diese Attraktion hat; die Leute nach den vielen Einschränkungen auch in der Masse wieder zurückkommen, wie sie vor der Pandemie da waren. Schließlich hat man zwischenzeitlich auch andere Wochenendgestaltungen gefunden: Väter und Großväter sind mit ihren Kindern am Tegernsee gelegen oder auf die Berge gekraxelt, statt Fußball zu schauen… Und was ist passiert? Es kamen noch mehr Leute nach der Pandemie als vorher. Ich habe den Eindruck, in den Zeiten der Kontaktbeschränkungen hat sich regelrecht etwas angestaut: Das Bedürfnis nach Gemeinsamkeit, nach Austausch, Kontakt.
Uli Hoeneß: So ist es. Ich beobachte gerade auch beim FC Bayern eine ganz interessante Entwicklung: Die Stimmung bei uns im Stadion war ja auch immer so ein bisschen gedämpft – nach dem Motto: „Wir gewinnen ja eh immer…“. Jetzt, wo es gerade nicht so läuft, ist die Stimmung bei den Spielen im Stadion meiner Meinung nach so gut, wie nie zuvor. Das ist sehr interessant zu beobachten.
Uli Hoeneß: Nun ja… (lächelt) Grundsätzlich bin ich für Wertschätzung natürlich sehr zu haben – Lob ist wichtig, keine Frage. Was mir widerstrebt, ist allerdings dieser derzeitige Trend, dass man jedem Mitarbeiter am besten 17 Mal am Tag sagt, wie toll er ist. Ich selbst
habe meine Zufriedenheit im Beruf in erster Linie daraus geschöpft, indem ich gemerkt habe, dass ich zum Erfolg meines Arbeitgebers beitragen oder grundsätzlich etwas Positives bewegen kann. Seit ich nicht mehr im Amt beim FC Bayern bin nutze ich meine Zeit bewusst auch dazu, Gutes zu tun. Ich halte beispielsweise Vorträge und mache Werbung für gute Zwecke. Vor kurzem habe ich erst 4.000 Sammelalben für einen guten Zweck handsigniert – die damit verbundenen Einnahmen in Höhe von 40.000 Euro werden zu 100 Prozent gespendet. Ich habe vier bis fünf Stiftungen, die ich regelmäßig unterstütze und das ist eine ungeheure Genugtuung und Bestätigung dafür, dass Du mit dem, was Du machst, auch etwaserreichst und bewirkst.
Uli Hoeneß: Um auf den Fußball zurückzukommen – sicher ist Leidenschaft in einer Mannschaft leichter zu entfachen. Nehmen wir einmal das Beispiel Tennis: Als Boris Becker und Steffi Graf so erfolgreich waren, haben viele Kinder vom Fußball zum Tennis gewechselt. Dort haben sie schnell die Erfahrung gemacht, dass man allein auf so einem Platz ganz schön einsam sein kann. Das gilt natürlich insbesondere im Falle von Niederlagen und Tiefschlägen. Eine Mannschaft kann einen auffangen, wenn es einmal nicht rund läuft oder auch die eigene eher durchschnittliche Leistung an einem schwachen Tag abfangen – das ist schon ein großer Vorteil gegenüber dem Einzelsport. Ich war auch immer eher ein Teamplayer als ein Einzelsportler. Das gilt aber natürlich für den Fußball genauso wie für Handball, Volleyball oder Basketball…
Uli Hoeneß: Genau. (lacht)