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ie geht es dem Gastgewerbe in Deutschland? Wie kann und muss die Politik unterstützen? Wir baten Ministerpräsident Dr. Markus Söder und Dieter Janecek, Tourismusbeauftragter der Bundesregierung zum Gespräch. Sie geben Einblick, wie sie die Branche zwischen Bürokratie-Flut, Mehrwertsteuer und Mitarbeitermangel unterstützen wollen.
Ministerpräsident Dr. Markus Söder, CSU-Vorsitzender: „Gastronomie und Hotellerie sind ein wichtiger Pfeiler unserer Gesellschaft. Hier treffen sich Familien, Freunde und Vereine, hier findet das gesellschaftliche Leben statt. Leider stellen Inflation, Energiepreise und Personalmangel unsere Gastwirte vor große Herausforderungen. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie durch die Ampel und das Bürgergeld sorgen dafür, dass die Situation noch schwieriger wird. Das Gastgewerbe gehört zu Bayern und zu Deutschland, deshalb müssen wir es stärken und unterstützen.“
Dieter Janecek, Tourismusbeauftragter der Bundesregierung: „Es geht wieder aufwärts. Das Gastgewerbe musste in den letzten Jahren gleich mehrere Krisen bewältigen: erst Corona, dann die gestiegenen Energiepreise und die Inflation. Besonders die zahlreichen kleinen und mittelständischen Unternehmen haben dabei eine enorme Widerstandskraft bewiesen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Keine andere Branche hat mehr Corona-Zuschüsse erhalten als das Gastgewerbe. Auf diese Weise ist es gelungen, die gewachsenen wirtschaftlichen Strukturen im Gastgewerbe, die vielen familiengeführten und regional teilweise seit Generationen fest verwurzelten Betriebe zu erhalten. Mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben wir uns zudem innerhalb kürzester Zeit von russischen Energielieferungen abgelöst; wir haben eine weitreichende Energiekrise, wie sie Putin provoziert hat, vermieden, und wir haben die Energieversorgung gesichert und dabei noch die Energiewende deutlich beschleunigt. Auch hier gab es mit den Energiepreisbremsen in den letzten beiden Jahren eine starke Unterstützung für die Branche. Jetzt sind die Energiepreise wieder deutlich gesunken.
Die aktuellen Zahlen für das Gastgewerbe stimmen mich außerdem zuversichtlich: Im März wurden bei den Übernachtungen Rekordwerte erreicht – noch nie gab es in einem März so viele Übernachtungen wie in diesem Jahr! Sowohl die Zahl der Gäste aus dem Inland als auch aus dem Ausland nahm im Vorjahresvergleich zu. Die Deutsche Zentrale für Tourismus e.V. (DZT) geht für 2024 davon aus, dass beim Incoming das lang ersehnte Vorkrisenniveau erreicht wird. Die Inflation verharrt derzeit auf relativ niedrigem Niveau; insgesamt sehen wir einen rückläufigen Trend. Im weiteren Jahresverlauf könnte sich die konjunkturelle Erholung allmählich festigen und an Breite und Dynamik gewinnen. Dafür sprechen die geringeren Inflationsraten, erwartete geldpolitischer Lockerungen, steigender Löhne und Einkommen und die anhaltend stabile Arbeitsmarktentwicklung. Es ist daher zu erwarten, dass sich auch der private Konsum weiter erholt und die gute Nachfrage im Gastgewerbe ankommt.“
Dr. Markus Söder: „Deutschland steckt in einer Wirtschaftskrise. Die Krise ist hausgemacht und auch Folge der miserablen Ampel-Politik. Aus dieser Krise kommen wir nur mit mehr Fleiß, nicht mit weniger Arbeit. Deshalb braucht es Anreize wie Steuerfreiheit für Überstunden und die Absenkung der Unternehmenssteuern. Mit einer vier-Tage-Woche und Homeoffice wird Deutschland nicht in Schwung kommen. Ein Recht auf Homeoffice ist nicht sinnvoll: Der Gastwirt kann die Gäste nicht über Zoom bedienen. Gleichzeitig kann es nicht sein, dass eine Hochzeitsfeier beendet werden muss, weil die tägliche Höchstarbeitszeit des Servicepersonals erreicht ist. Deshalb wollen wir anstatt einer gesetzlichen Höchstarbeitszeit pro Tag eine Flexi-Woche mit einer wöchentlichen Höchstgrenze. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollen sich individuell und flexibel auf das jeweils passende Arbeitszeitmodell verständigen können. So können Gastronomen personalintensive Tage besser planen und Arbeitnehmer haben mehr Freizeit und Zeit für Familie.“
Dieter Janecek: „Es geht darum, auf die aktuellen Veränderungen in der Arbeitswelt zu reagieren und die Wünsche von Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmern und Unternehmen nach einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung aufzugreifen. Wirtschaftsminister Habeck hat mehrfach unterstrichen, dass wir als Bundesregierung flexible Arbeitszeitmodelle ermöglichen wollen. Hierzu wird der Bundesarbeitsminister einen Vorschlag unterbreiten. Der Koalitionsvertrag sieht zum Beispiel vor, Abweichungsmöglichkeiten von der Tageshöchstarbeitszeit zu schaffen, wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen auf Grund von Tarifverträgen dies vorsehen.“
Dr. Markus Söder: „Bayern zündet den Turbo beim Bürokratieabbau: Für jedes neue Gesetz müssen zwei alte weg. Jedes neue Gesetz wird mit einem Gültigkeitsdatum versehen und nach fünf Jahren überprüft - wenn es keinen Sinn mehr macht, kann es weg. Wir wollen zehn Prozent aller Vorschriften streichen. Und Bayern hat einen Beauftragten für Bürokratieabbau, der gemeinsam mit den Bürgern, der Verwaltung und der Wirtschaft aus der Praxis heraus den Bürokratieabbau vorantreibt. Auch die Bundesregierung ist in der Pflicht und muss endlich für mehr Bürokratieabbau sorgen.“
Dieter Janecek: „Wir wollen unnötige Bürokratie schnell abbauen, damit sich Unternehmen wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können. Dafür braucht es einen Kulturwandel: Der Ansatz darf nicht sein, jede denkbare Fallkonstellation regeln und jedes in Betracht kommende Risiko ausschließen zu wollen. Stattdessen brauchen wir Mut zu einfachen, klaren Regelungen. Die Bundesregierung hat gerade das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) mit Entlastungen von insgesamt 944 Mio. Euro pro Jahr für Wirtschaft auf den Weg gebracht. Unter anderem wird die Hotelmeldepflicht für inländische Gäste abgeschafft. Damit helfen wir ganz gezielt den Beherbergungsbetrieben in Deutschland Jetzt berät das Parlament darüber und ich bin mir sicher, dass die Ampelfraktionen hier noch über den Entwurf der Bundesregierung hinausgehen werden. Bundeswirtschaftsminister Habeck hat dafür bereits mehrere Vorschläge unterbreitet. Insgesamt sind wir gerade dabei etwa 140 Erleichterungen in Vorschriften und Gesetzen vorzunehmen. Wir entschlacken also umfassend, um bürokratische Hemmnisse abzubauen.“
Dr. Markus Söder: „Die reduzierte Mehrwertsteuer für die Gastronomie habe ich 2020 durchgesetzt und wir wollten, dass sie dauerhaft bleibt. Leider hat die Ampel-Koalition das verhindert und Kanzler Scholz sein Versprechen gebrochen. Essen und Trinken ist in den letzten Jahren durch die Inflation viel teurer geworden. Wir wollen, dass der verringerte Mehrwertsteuersatz auch in Zukunft gilt.“
Dieter Janecek: „Mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatzes von 7 % statt 19 % auf Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen (Speisen) ging es darum, die wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Gastronomiebranche abzumildern. Er war also von vorn herein zeitlich begrenzt. Diese zeitliche Begrenzung hatte verschiedene Gründe. Dass dieser vorübergehend reduzierte Umsatzsteuersatz nicht verlängert wurde, ist in erster Linie den erheblichen Steuermindereinnahmen geschuldet, die angesichts der haushaltspolitischen Herausforderungen nicht mehr möglich waren. Solange sich die haushaltspolitische Lage nicht bessert, erscheint eine Wiedereinführung des reduzierten Umsatzsteuersatzes unwahrscheinlich (Steuermindereinnahmen in Höhe von rund 3,4 Mrd. € p.a.). Eine Verlängerung hätte auch zu einer Ungerechtigkeit bei der Besteuerung für andere von der COVID-19-Pandemie betroffene Branchen und Wirtschaftszweige geführt, z.B. Frisör- und Kosmetiksalons.“
Dr. Markus Söder: „Deutschland und allen voran Bayern sind beliebte Ziele von Touristen aus aller Welt. Im vergangenen Jahr gab es mehr als 100 Millionen Hotelübernachtungen nur in Bayern. Hotels und Herbergen brauchen qualifizierte Mitarbeiter und regelmäßige Investitionen, um für Gäste attraktiv zu bleiben. Wenn steuerliche Anreize dazu führen, dass die Investitionen steigen, ist das begrüßenswert.“
Dieter Janecek: „Freilich hat der gesenkte Mehrwertsteuersatz die Tourismusbranche gestärkt. Ich will aber auch darauf hinweisen, dass die Umsatzsteuer lediglich ein Bestandteil ist, der zur Preisbildung beiträgt. Im europäischen Vergleich hat Deutschland zudem einen der niedrigsten Umsatzsteuersätze, was insoweit einen Wettbewerbsvorteil bedeutet.“
Dr. Markus Söder: „Steuererhöhungen sind der falsche Weg. Das Gegenteil ist notwendig, nämlich Steuerfreiheit für Überstunden. Die Bundesregierung setzt völlig falsche Schwerpunkte. Es ist inakzeptabel, dass diejenigen, die sogar in der Nacht und an Sonn- und Feiertagen hart arbeiten, jetzt für die schlechte Haushaltspolitik der Ampel zahlen sollen. Es braucht endlich wieder mehr Wertschätzung und Entlastungen statt Belastungen. Das Land braucht einen Neustart und einen Wechsel hin zur Union.“
Dieter Janecek: „Das gehört eher in die Kategorie Fake News. Bundesfinanzminister Lindner hat das selbst schnell klargestellt. Eine Streichung der Steuerbefreiung für Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge ist nicht vorgesehen.“
Dr. Markus Söder: „Die bayerische Küche ist weltberühmt, die ganze Welt liebt unser Essen. Gastronomie und Tourismus sind Aushängeschilder Bayerns und eine unserer wichtigsten Wirtschaftsbranchen. Die Gastronomie hat endlich wieder mehr Wertschätzung und Unterstützung verdient. Wir wollen eine dauerhafte Absenkung der Gastro-Mehrwertsteuer. Durch die Steuerfreiheit von Überstunden wollen wir das Gastgewerbe unterstützen. Wir stehen hinter unserem Gastgewerbe.“
Dieter Janecek: "Wirtschaftspolitik ist immer auch Tourismuspolitik. Wir wollen branchenübergreifend bestmögliche Rahmenbedingungen für Unternehmen in unserem Land schaffen, Wohlstand sichern und ausbauen. Dabei hat sich der horizontale Förderansatz gut bewährt. Diese vier Maßnahmen sind besonders wichtig:
Erstens, das zentrale Instrument der regionalen Wirtschaftsförderung in Deutschland ist die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW). Mit der GRW stärken wir Investitionen, Beschäftigung und Einkommen in strukturschwachen Regionen. Die GRW leistet damit wichtigen Beitrag zu gleichwertigeren Lebensverhältnissen in Deutschland. Ein Fünftel der GRW-Mittel, mehr als 1,4 Mrd. Euro, entfiel in den letzten fünf Jahren auf den Tourismus. Das Gastgewerbe profitiert auch von anderen übergeordneten Maßnahmen. Förderwegweiser Tourismus enthält alle für den Tourismus relevanten Förderoptionen.
Zweitens: die Deutsche Zentrale für Tourismus e.V. (DZT). Sie wirbt höchst erfolgreich im Ausland für das Reiseland DEU und erhält dafür eine institutionelle Förderung aus dem Bundeshaushalt. Davon profitiert auch das Gastgewerbe. Das Tourismusmarketing wurde in den letzten Jahren verstärkt auf klima- und umweltschonenden Tourismus ausgerichtet. Deutschland belegt - hinter Schweden und der Schweiz Rang 3 - bei der Bewertung eines klimaschützenden und nachhaltigen Angebotsspektrums in den Destinationen. Das kann sich wirklich sehen lassen.
Vor einem Jahr haben wir, drittens, die „Nationale Plattform Zukunft des Tourismus“ ins Leben gerufen. Hier sitzen erstmals alle tourismusrelevanten Akteure gemeinsam an einem Tisch – Bund, Länder, Branche und Wissenschaft. Die Plattform ist als strategischer Dialogprozess entlang der vier Ziele Bürokratieabbau, Arbeitskräftegewinnung, Klimaneutralität und Digitalisierung mit dem Ziel der Vernetzung ausgerichtet. Die praktische Umsetzung der strategischen Ziele erfolgt über konkrete Initiativen in vier Arbeitsgruppen.
Schließlich profitiert das Gastgewerbe als Querschnittsbranche von vielen Maßnahmen, die die Bundesregierung in dieser Legislatur auf den Weg gebracht hat – so etwa von dem oben erwähnten BEG IV oder dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz, mit dem wir die rechtlichen Hürden für die Beschäftigung von Fachkräften aus dem Ausland deutlich gesenkt haben."